Adams Ende
Ein geheimes Begehren, die Hinterfragung der eigenen Lebenssituation oder das Krisenhafte einer Partnerschaft sind in Filmen über Twentysomethings beliebte Topoi. In Richard Wilhelmers Spielfilmdebüt Adams Ende findet sich von alldem etwas – dennoch wirkt es unverwechselbar, weil die Diskontinuitäten des Lebens hier auch in der Form eine Entsprechung finden. Ein neuer Weg kann eben auch in einer Darstellungsweise liegen, die das Widersprüchliche und Vielgestaltige gegenüber einem geradlinigen Ansatz bevorzugt. Adams Ende beginnt nuanciert, leichtfüßig, als Spiel mit Andeutungen. Wir begleiten zwei Paare, zuerst durch die Stadt, dann in den Urlaub und wieder zurück. Das eine, Conrad (David Winter) und Carmen (Paula Kalenberg) findet gerade erst zusammen (und schnell wieder auseinander); beim anderen, bei Adam (Robert Stadlober) und Anna (Eva-Maria May), führt die enge Vertrautheit gerade zu ersten Anzeichen einer Verunsicherung. Wilhelmer setzt Blicke und Situationen so zueinander in Beziehung, dass man die Triebkräfte und Motivationen der Figuren erahnen kann. Auf die Schliche kommt man ihnen deshalb noch nicht. Unmerklich geraten die Verhältnisse dann aus dem Gleichgewicht. Der lichte Tonfall weicht in dem Maße einem Gefühl der Bedrohung, wie sich innerhalb der Viererbande Irritationen häufen. Adams Ende verlegt die Innenwelten seiner Figuren, vor allem jene von Adam, mehr und mehr nach außen: Was Einbildung und was Realität ist, wird ununterscheidbar. Mit spielerischer Hand überwindet Wilhelmer die Schule des Milieurealismus und schließt in seiner Beschreibung von Gefühlslagen an expressionistische Traditionen an: Das Psychodrama ist ein Hund, der plötzlich in ganz alltäglichen Konstellationen bedrohlich seine Zähne fletscht. (Dominik Kamalzadeh)
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Ö1, Kulturjournal (Radio)
Der österreichische Regisseur Richard Wilhelmer legt als ersten Spielfilm ein subtiles Genrespiel im sommerlichen Berlin vor. Der Film war erstmals auf der Diagonale präsentiert worden und ist jetzt im Kino zu sehen.
Bei seiner No-Budget-Produktion standen Richard Wilhelmer dank freundschaftlicher Beziehung etablierte Schauspieler wie Robert Stadlober und Paula Kalenberg zur Seite, die ein Quartett Berliner Bobos in der Welt der Werbeagenturen und Kreuzberger Altbauwohnungen spielen. Im Spannungsfeld ermüdeter Beziehung, angehender Flirts, komplexer Freundschaftsbegehren und enttäuschter Erwartungen findet man sich zur gemeinsamen Sommerfrische zusammen. Angezogen wie Kinder in den 1980ern, bewegen sich die Protagonisten in satten Sommerfarben, die das Bild durchfluten.
Oberflächlich erweckt alles den Anschein eines klassischen Beziehungsfilms, wobei bereits hier der Fokus auf die einzelnen Protagonisten ebenso fließend wechselt wie die Problemlage. Überdies stört Wilhelmer von Beginn an die scheinbar glatte Erscheinung durch die Verwendung von Bach und Pergolesi im Soundtrack, die bereits eine Distanz aufbauen, einen bewussten Irritationsmoment im urban-hippen Ambiente setzen.
Suspense
Viele essenzielle Ereignisse werden nicht gezeigt oder nur gestreift, auf scheinbar belanglosen Alltagshandlungen verharrt die Kamera hingegen. Und so schleicht sich sukzessive und lakonisch der Suspense in die Narration, erfolgt der eigentlich brutale Plottwist subtil, schleichend und doch merklich, wenn schließlich eine der Hauptfiguren verschwindet.
“Es ist leicht, sich in einem Genre zu bewegen oder in einem Umfeld, das einen umgibt”, erklärte der gebürtige Steirer Wilhelmer, der mittlerweile in Berlin lebt, seinen leichtfüßigen Ansatz. Zugleich nehme er selbst die Inszenierung seiner Protagonisten wahr wie Tiere im Zoo.
“Viel Zeit für Rollenarbeit hatten wir eigentlich nicht – oder man konnte über seine Rolle nachdenken, während man ein Stativ getragen hat”, erinnerte sich auch Wilhelmers Schauspielstar Stadlober an die Produktion, die praktisch ohne finanzielle Mittel auf die Beine gestellt wurde. In gut zwei Wochen in Berlin gedreht, machte sich Wilhelmer hernach neun Monaten an den Schnitt.
Gestaltung: Benno Feichter
Text: APA, Red., Audio: ORF
„Adams Ende“: Mitten im Horror der Postpubertät, Julia Evers, Oberösterreichische Nachrichten, 18.10.2011 (Kritik)
Vier junge Erwachsene in Berlin: Adam (Robert Stadlober) wurstelt sich in seiner Beziehung mit Anna (Eva-Maria May) so dahin. Sein bester Freund Conrad (David Winter) verbringt seine Tage und Nächte anders: mit Sauftouren, Flirts und wechselnden Mädchen-Geschichten.
Carmen (Paula Kalenberg) beginnt den beiden schöne Augen zu machen und Unruhe zwischen den Freunden zu stiften. An einem Wochenende am Land spitzen sich die Gefühlslagen und die Dinge zwischen den vieren zu...
Beziehungsanalyse, Generationsporträt, Horrorschocker, Komödie – welchem Genre sein Erstlingswerk zuzuordnen ist, kann auch der Steirer Regisseur Richard Wilhelmer nicht genau sagen: „Am ehesten ist Adams Ende wohl ein Psychodrama, das sehr humorvoll und leicht beginnt, sich aber dann beim Fortschreiten des Films durchwegs in seiner Form ändert“, sagt der 27-Jährige. Im Zentrum des Geschehens stehe auf jeden Fall seine Generation. „Der Film dreht sich um Postpubertät, um ewige Jugend und die bescheuerten Probleme, die sich Leute machen, die eigentlich alle Möglichkeiten haben.“
Jeder musste schleppen
Der Erste, den Wilhelmer von seinem Projekt überzeugen konnte, war sein Freund Robert Stadlober. Beide wohnen einen großen Teil des Jahres in Berlin. Dass Stadlober zu den bekanntesten jungen Schauspielern im deutschsprachigen Raum zählt, soll an den Kinokassen Wunder wirken.
„Robert war sofort bereit, mitzumachen, und hat sich mit voller Kraft dahintergeklemmt“, sagt Wilhelmer. „Wir haben die Szenen besprochen und ausgearbeitet, während wir Kameras und Stative geschleppt haben“, beschreibt Stadlober den Dreh. Er habe seine Popularität gerne dazu genutzt, einem Projekt auf die Beine zu helfen, das er selbst für vielversprechend hält.
Die Austro-Komödie „Wie man leben soll“, in der Stadlober seit zwei Wochen im Kino zu sehen ist, wurde mit einem Budget von drei Millionen Euro verwirklicht. Für „Adams Ende“, der am Freitag startet, verfügten die Macher über keine 10.000 Euro.
Kein Budget, kein Schlaf
„Das gilt als No-Budget-Film“, beschreibt Wilhelmer: „Die Kameras waren ausgeborgt, wir hatten nur zwei Wochen, um den Film zu drehen. In denen gab es zum Beispiel vier Tage hintereinander, in denen keiner von uns mehr als vier Stunden geschlafen hat.“
„Adams Ende“ überrascht – nicht nur im Film. Wer sich selbst davon überzeugen möchte und von Regisseur Richard Wilhelmer und Schauspieler Robert Stadlober mehr über den Dreh erfahren möchte, hat morgen, Mittwoch, 19. Oktober, ab 20 Uhr im Moviemento Linz die Gelegenheit dazu.
(Julia Evers, Oberösterreichische Nachrichten, 18.10.2011)
Adams Ende
2011
Österreich, Deutschland
81 min