Little Precious
Yilins Kurzfilm Xiao Baobei / Little Precious (der Titel stammt von einem populären chinesischen Lied, das Chens Protagonist als Handy-Klingelton verwendet) erzählt eine kleine Geschichte voller feiner Nuancen: Xiao Bao, ein junger Mann, ist nach Beijing gekommen. Es geht ihm nicht so sehr um sozialen Aufstieg und persönlichen Erfolg, sondern darum, ein bisschen Geld zu verdienen, um seinen bescheidenen Ansprüchen Genüge zu tun: ein Dach über dem Kopf, Essen und Trinken, ein bisschen Spaß. Er lebt mit seinem Cousin und dessen Frau in einer schlichten Wohnung zusammen und ist in die Kellnerin eines kleinen, einfachen Restaurants verliebt. Um sich finanziell über Wasser zu halten, versucht Xiao Bao – mit recht wenig Erfolg – Eis und Mineralwasser im Xiangshan-Park, einem vor allem von einheimischen Touristen frequentierten Naturschutzgebiet nordwestlich von Beijing, zu verkaufen. Doch der Konkurrenzkampf zwischen den Eisverkäufern ist heftig, und Xiao Bao gerät bald in Schwierigkeiten. Sein Cousin muss ihn für ziemlich viel Geld bei der Polizei auslösen. Doch nicht nur in beruflicher Hinsicht läuft es für Xiao Bao unrund, sondern auch privat. Die Kellnerin nämlich, so muss er bald feststellen, ist nicht an ihm interessiert. Bemerkenswerterweise bleibt Xiao Bao trotz seines alles andere als erfolgreichen Starts in der Hauptstadt unverzagt, auch wenn er – in einem schönen Intermezzo – mit Freunden ein eher resignatives altes Lied singt. Yilin, einem gebürtigen Chinesen, der in Wien an der Filmakademie studiert, gelingt es in 24 Minuten dank sorgfältigem Timing und einer sensiblen Erzählweise, ein Spektrum an Emotionen aufzufächern, und so ist „Xiao baobei“ keineswegs das Porträt einer Frustration. Das eher offene Ende lässt interpretatorischen Spielraum, in dem durchaus auch für einen Hauch von Optimismus Platz ist, was Xiao Baos Zukunft betrifft. Die schicken türkisblauen Stöckelschuhe, die der junge Mann, einem spontanen Impuls folgend, gestohlen hat, könnten darin möglicherweise eine Rolle spielen.
(Andreas Ungerböck)
Xiao Baobei
2011
Österreich, China
24 min