Herna

Im Fond des Wagens sitzen Mann, Frau und Kind. Er parkt den Wagen, geht eine Weile, betritt die Spielbar und wählt zielstrebig einen Automaten aus. Frau und Kind bleiben zurück, müssen gelangweilt im Auto warten, während er sein Glück versucht. Die Kamera nimmt Details des einfachen Kasinos ins Visier: Lampe, Lautsprecher, abgenützte Wände und Sitzgelegenheiten, Spielautomaten blinken vor sich hin, im Gastraum sitzen einige Männer, jeder für sich. Einmal sehen wir auf einer Digitalanzeige eine Zahl mit zwei Kommastellen, kryptisch wie der Dow Jones, nur für Eingeweihte entschlüsselbar. Der Mann sitzt mittlerweile an einem anderen Spielgerät, die Nahaufnahme der Hand zeigt, dass er monoton immer denselben Startknopf drückt. Der Einsatz hat sich erhöht, von der Münze zum Geldschein.
Josef Dabernig gelingt mit einer für ihn typisch reduzierten Inszenierung ein Drama, das die Einsamkeit und Leere der drei Menschen erahnen lässt. Jeder spielt stoisch seine Rolle für die vermeintliche Hoffnung auf Verbesserung des monetären Lebens, dem Kind bleibt da keine Wahl. Das Innere und Äußere der Räume sind weitere Protagonisten der Handlung, auch sie bieten in ihrer provinziellen Alltäglichkeit keinen dramaturgischen Höhepunkt.

Die nüchterne Tristesse des Spiellokals irgendwo in Tschechien (es könnte wohl in vielen europäischen Ländern sein) mit seinem Glücksversprechen für die Einkommensschwachen wird mit dem artifiziellen Dialog einer anderen Gesellschaftsschicht dialektisch verschränkt. Im Hörspiel von Bruno Pellandini treffen sich zwei Frauen, im Wirtshaus werden sie von zwei Männern auf einen Schnaps eingeladen. Es geht um Coups mit Schlössern als Anlageobjekt, die Frauen reimen heiter mit. Man versteht sich im großbürgerlichen Geplänkel. Am Ende beim Verabschieden spricht die eine noch die kaputte Ehe der anderen an, aber es bleibt anekdotisch. Die Satire auf die hohle Beredsamkeit der (Neu)Reichen verzahnt sich mit der Sprachlosigkeit der Darsteller auf der Bildebene.

(Brigitta Burger-Utzer)


Frühverkehr auf einer Vorstadtstraße. Ein Kleinbus hält am Straßenrand, der Fahrer steigt aus und geht zielstrebig in einen Provinzspielsalon. Frau und Kind bleiben auf dem Beifahrersitz zurück.

Herna (in freier Übersetzung aus dem Tschechischem: Casino) ist eine filmische Miniatur über Spielleidenschaft, auf der Tonebene mit einem Hörspiel von Bruno Pellandini beziehungsreich kontrapunktiert. Während sich der Spieler in Ort und Zeit verliert, Frau und Kind im Auto festsitzen, entfaltet sich auf der Textebene ein dramatisches Kaleidoskop von vier Stimmen. Die Rede ist von Liebe und Tod, Besitz und Verlust.

Die Hörspielsequenzen werden jäh und wiederholt in Spiel und Ambiente gebrochen. Wie ein Reißverschluss greift das dialektische Geflecht aus Bild und Ton ineinander und spinnt sich in einer Schleife zur dramatischen Erkenntnis.

(Josef Dabernig)

Orig. Titel
Herna
Jahr
2010
Land
Österreich
Länge
17 min
Kategorie
Kurzfilm
Orig. Sprache
Deutsch
Untertitel
Englisch
Downloads
Herna (Bild)
Herna (Bild)
Herna (Bild)
Credits
Regie
Josef Dabernig
Drehbuch
Josef Dabernig
Kamera
Christian Giesser
Schnitt
Josef Dabernig
Ton
Michael Palm
Textautor*in
Bruno Pellandini
Produktion
Josef Dabernig
Darsteller*in
Ruben Helia, Prokop Holoubek, Barbora Sedivá, Josef Dabernig, Filip Cenek
Stimme
Branko Samarovski , Paul Matic, Frederike von Stechow, Johanna Orsini
Mit Unterstützung von
bm:ukk, ORF Film/Fernseh-Abkommen
Verfügbare Formate
35 mm (Distributionskopie)
Bildformat
1:1,66
Tonformat
Stereo
Bildfrequenz
25 fps
Farbformat
s/w
Digital Betacam (Distributionskopie)
Bildformat
16:9
Tonformat
Stereo
Bildfrequenz
25 fps
Farbformat
s/w
Digital File (prores, h264)
Festivals (Auswahl)
2010
Graz - Diagonale, Festival des österreichischen Films
2011
Rotterdam - Int. Filmfestival