Mirror
"Die Person einer Tragödie, die Orte, die Luft, die dort geatmet wird, sind manchmal fesselnder als die Tragödie selbst, ebenso die Momente, die ihr vorausgehen und ihr folgen, wenn die Handlung stillsteht und die Rede verstummt." (Michelangelo Antonioni)
Eine Frau, ein Mann, Gäste einer Abendgesellschaft. Schauplätze, die sich zunehmend leeren, Überbleibsel eines Geschehens, Blicke, die ihren Gegenstand verloren haben.
(C. G. & M. M.)
Unausgeleuchtet der festliche Raum, eine Frau, ein Mann, melancholische Andeutungen, verzweifelte Sehnsucht, Lichter. «Die Kunst der mise en scène wird neu etabliert in einem Raum, der wie eine Wartesaal zwischen Heute und Gestern wirkt. Eine Frauenstimme spricht italienisch als Nachhall der großen europäischen Melodramen.»
(Viennale 2004)
Auf das ungewohnte Terrain der eigenen Inszenierung wagte sich das Künstlerpaar mit Mirror (2003). Zumindest Christoph Girardet hatte zuvor fast ausschließlich mit „Found Footage“ gearbeitet. Mirror entstand vor Kristall und entfaltet bereits dessen Thematik: Das Spiegelmotiv und die Paarsituation. Gedreht wurde an vier Tagen in einem Bielefelder Konzertfoyer, dessen Atmosphäre durch ein nostalgisches Ambiente geprägt ist. Die Künstler ließen sich von einem Ausspruch Michelangelo Antonionis inspirieren: „Die Personen einer Tragödie, die Orte, die Luft, die dort geatmet wird, sind manchmal fesselnder als die Tragödie selbst, ebenso die Momente, die ihr vorausgehen und ihr folgen, wenn die Handlung stillsteht und die Rede verstummt.“ Im Dunstkreis der Abendgesellschaften von Antonionis „Die Nacht“ und Alain Resnais´ „Letztes Jahr in Marienbad“ präsentiert Mirror einen erstarrten Frauen-und-Männer-Reigen in unbewegten Tableaus. Es geht um Beziehungen, um die zu acht Minuten gedehnte „split second“ im zeitlichen Niemandsland zwischen Trennung und Gerade-noch-Zusammensein. Dieser zwischenmenschliche Wackelkontakt wird in der Lichtregie durch ein beständiges Glühbirnenflackern unterstrichen, das Figuren und Interieur im Vorder-, Mittel- und Hintergrund miteinander verbindet und gleichzeitig trennt. Bewegung findet eigentlich nur in den Augenmuskeln des Betrachters statt. Aber trotz des weitschweifig-breiten Scope-Formats beruht auch die Panoramawirkung der Bilder auf einem Trugschluss. „Scherzeshalber nennen wir unser Verfahren ‚Cinemascope für Arme’“, erklärt Girardet. Das Breitformat wurde aus jeweils zwei Teilbildern so zusammengesetzt, dass ein Raumkontinuum simuliert und gleichzeitig gebrochen wird. In der Bildmitte ist stets eine haarfeine Sollbruchstelle spürbar; selbst frontale Großaufnahmen einzelner Gesichter sind auf diese Weise sich selbst entfremdet. (Jens Hinrichsen)
Mirror
2003
Deutschland
8 min 10 sek