bellevue
Schnee, Nebel, Wolken und mittendrin ein kaum erkennbares Bergmassiv. Oder besser: Weißes Rauschen, aus dem allmählich Konturen hervortreten, um sich ebenso stetig wieder darin aufzulösen. Wie Irrlichter in einem digitalen Bildnebel, der diese Komposition großflächig beherrscht. Ein Berggipfel, der die längste Zeit nur erahnbar ist und in dem Augenblick, in dem er sich zeigt, auch schon wieder halb verschwunden ist.
Das Ausgangsmaterial zu Michaela Schwentners bellevue sind Webcam-Aufnahmen des Großglockners, die sie über Monate gesammelt und zu einem neunminütigen Zeit-Bild verdichtet hat. Die starre Einstellung kommt Schwentners Verfahren zugute, zumal das Wechselspiel von Sich-Zeigen und Sicht-Entziehen, von Ent- und Verbergen, darin größtmögliche Wirkung entfalten kann. Und so ent- und verhüllt sich die Figur des Berges in einer anhaltenden Modulationsbewegung: Grate und Hänge schälen sich aus dem Weiß der Umgebung heraus, um sich unverzüglich wieder darin zu verflüchtigen. Begleitet von einem zarten ambient-artigen Säuseln, das Schwentner aus der direkten Umwandlung der Bild- in Tondateien gewonnen hat, klärt und verunklärt sich die Vision in einem fort. Als wolle der millionenfach gesehene und fotografisch reproduzierte Berg seine Identität nicht so einfach preisgeben; ja als berge die scheinbar banale Wetterpanorama-Aufnahme eine Art Schlüssel zum Verschwinden der vermeintlich unveränderlichsten, naturgegebenen Dinge.
Die schöne Aussicht ist bellevue zufolge elementar getrübt. Nicht von zufälligen Sichtbehinderungen wie Schnee, Nebel oder Wolken, sondern von einer grundlegenden Instabilität im Prozess des (elektronischen) Sehens selbst. Je beharrlicher es den Phänomenen zu Leibe rückt, desto mehr halten sich diese mitunter bedeckt. (Christian Höller)
bellevue
2008
Österreich
9 min