Faceless
Angstbilder gegen die Angst
Angst löscht die Gegenwart aus. Sie speist sich aus einer Vergangenheit, die sich unkontrolliert über die Gegenwart hinweg ausbreitet und von der Zukunft Besitz ergreift. Diese Angst zu bannen, indem man Vergangenheit und Zukunft ausschaltet, ist das Versprechen des Überwachungsstaates. Ein Versprechen, das die permanente Observation des öffentlichen Raums legitimieren will welche den Traum vom sorgenfreien Dasein im abgeschotteten Jetzt in einen real gewordenen Alptraum verkehrt.
Manu Luksch erzählt von diesem Alptraum im Vokabular des Science-Fiction-Films - und mit dem Bildmaterial, das sie den Betreibern von Londoner Videoüberwachungsanlagen unter Berufung auf das britische Datenschutzgesetz abgerungen hat. In fantastisch-poetischer Verkettung lässt sie beklemmend vertraute Stadtansichten zum Schauplatz eines Schicksalsszenarios werden, in dem eine Frau den schockhaften Ausbruch aus einer "Echtzeit"-Welt erlebt, die der umfassenden Kontrolle eines anonymen Systems unterworfen ist.
Einst gesichts- und geschichtslos wie die Menschen, die auf den von den Betreibern der Videoüberwachung herausgegebenen Aufnahmen (aufgrund der gesetzlichen Regelung zum Schutz der Privatheit) unkenntlich gemacht wurden, taucht die Protagonistin von Faceless mit ihrem plötzlich wiedererlangten Gesicht aus einem Datendasein hervor und in eine vergessen geglaubte Geschichte ein.
In spiegelbildlicher Umkehrung des gescheiterten Befreiungsakts, in welchem das Trauma dieser Bewusstwerdung letztlich mündet, traumatisiert Faceless über die ebenso stimmungsvoll wie unheimlich bebilderte Metaerzählung einer Gesellschaft, deren Selbstbewusstsein im Zerrbild ihrer medialen Hyperpräsenz zu verblassen droht.
(Robert Buchschwenter)
"In Faceless wird (...) eine Science-Fiction-Geschichte ausgebreitet, die in ihrer, durch das Überwachungsmaterial bedingten Single-Frame-Ästhetik an Chris Markers Geschichte-machenden Film-Comic La Jetée (1962) denken lässt. Luksch selbst hat sich in London an diversen Orten vor CCTV-Kameras produziert und die Bilder später auf bürokratischem Weg angefordert, wobei sie eben nicht in der Reihenfolge ihres Zustandekommens auch in Österreich eingetroffen sind und die Geschichte somit vom Big Brother umgeschrieben wurde. Faceless ist jedenfalls eine elektrisierend instrumentierte Reise durch die Hässlichkeit dieses Materials, zugleich die Ausformulierung eines neuen Typus des Filmhelden, der geschichtslosen Heroin nämlich, deren schlussendliche Sinnhaftig- oder Sinnlosigkeit von einem Apparat bestimmt wird."
(Markus Keuschnigg, fm4)
In einer Gesellschaft unter dem reformierten, geschichts-und zukunftslosen EchtZeit Kalender, in der alle gesichtslos sind, bricht bei einer Frau Panik aus, als sie eines Tages mit einem Gesicht aufwacht. Langsam findet sie mit der Hilfe der Spektralkinder mehr über die verloren gegangene Kraft und Geschichte des menschlichen Gesichts heraus und macht sich auf die Suche nach seiner Zukunft faceless wurde nach den Regeln des "Manifesto for CCTV Filmmakers" produziert. Das Manifesto besagt u.a., dass am Drehort keine zusätzlichen Kameras eingebracht werden dürfen, da die omnipräsente existente Videoüberwachung (CCTV) ohnehin mitfilmt.
(Diagonale Katalog, 2007)
Trailer ansehen
Film Homepage
Pressclippings ansehen
Orwell´sche Filmparabel: "Faceless" von Manu Luksch im Wiener Top-Kino (Artikel)
"Faceless": Gesehen werden, ohne gelebt zu haben
Die österreichische Medienkünstlerin Manu Luksch hat nun einen Film realisiert, der zur Gänze auf das Bildermaterial aus ebendiesen Überwachungskameras zugreift. Ein Datenschutzgesetz nützend, das die Verwendung der Bilder erlaubt, die von einem selbst erstellt wurden, hat Luksch in Faceless sozusagen vor lauter fremden Augen inszeniert. Das eigentlich polizeiliche Material wird so auf originelle Weise zweckentfremdet.
Die Überwachungsaufnahmen, in denen über den Köpfen der Menschen kreisförmige Schwärzungen vorgenommen wurden (um die Identität Dritter zu schützen), sind in ihrer Erzählung Material eines totalitären Staates, der seine Bürger nicht nur permanent kontrolliert. Er beherrscht sie auch durch eine allumfassende Jetztzeit, die ihnen jedes Gefühl für Individualität genommen hat. Es ist dies die ein wenig redundante Variante einer Orwell´schen Zukunftsvision, die als Off-Kommentar in der glasklaren Sprache von Oscarpreisträgerin Tilda Swinton aber ihren Zweck gut erfüllt.
Faceless wird zur Geschichte der Erweckung einer Frau aus dem tiefen Schlaf der Anonymität. Seine Wirkung verdankt der Film allerdings vor allem den verschwommen pixeligen Bildern. Sie sperren sich zwar ein wenig gegen die Dramaturgie, entfalten aber eine eigentümliche melancholische Aura. Wenn aus interesselosen Fluchten nüchterner Wohnbauten oder dem Blick auf kopflos uniforme Menschen plötzlich ein Moment der Paranoia erwächst, dann ist der Film endlich bei sich selbst.
(Dominik Kamalzadeh, In: DER STANDARD/Printausgabe, 6.5.2008)
Faceless
2007
Österreich, Großbritannien
50 min