Halcion

Halcion, so der Titel des jüngsten Werks aus Österreichs produktivster Filmwerkstatt - jener von Dietmar Brehm. Damit benennt Brehm seinen Film nach einem Schlafmittel, das "vielfach pastellfarbene Träume und verschwommene Bilder" auslöse, wie Brehm in einer Notiz mitteilt. Das Erscheinungsbild von Halcion läßt kaum Zweifel aufkommen, dass dieser Titel den Schlüssel zum Film darstellt: Was wir erblicken, ist die zu Film geronnene Vision eines Traums. Sämtliches Material hierfür entnahm Brehm seinem sechsteiligen Zyklus Schwarzer Garten. Wie Tagreste huschen schemenhafte, stark vergrößerte Fragmente des Schwarzen Gartens über die Leinwand. Viele dieser Rudimente wirken abstrakt, allerdings ohne die Herkunft aus dem Reich des Figurativen zu verleugnen: Man erahnt Bewegungen, spürt die Präsenz von Körpern - doch alles bleibt gespenstisch und geisterhaft.
Die Textur des Films prägen starke Kontraste: Wir blicken ins Dickicht einer schwarzen Nacht, in das pumpendes Licht züngelt, um sich für Sekunden zu rätselhaften Gesten oder erotischen Momenten zu formieren, nur um erneut ins Dunkel zu entschwinden.
Geradezu kristallen klar dagegen der Ton: Das Geräusch einer Wählscheibe; klingelnde Telefone, die niemand beantwortet; vergebliches Pochen an einer Türe; Windgeheul, Donnerschläge, knisternde Flammen, kreischende Möwen, kläffende Hunde. Es ist dies der Klang der Einsamkeit eines vergessenen Vororts, der Soundtrack einer unbenannten Peripherie.
Und dennoch bleiben wir niemals allein: Unter die erkennbaren Details des Films mischen sich immer wieder Gesichter - blickende Gesichter. Eine Frau starrt uns an; ein Mann beugt sich ganz dicht über die Linse der Kamera; Maskierte, die stumm aus dem Pochen der pumping screen heraus beobachten: Traumbilder, die uns nicht aus den Augen lassen. Ein Traum, der uns beim Träumen zuschaut.

(Peter Tscherkassky)


Im Frühling 2006 wurde während einer Privatvorführung des Films Schwarzer Garten (1992-1999) der 16mm Projektor kaputt. Die Andruckplatte hatte sich gelockert, so dass das Filmbild immer unschärfer wurde. Ich war begeistert und ließ den Film weiter projizieren, denn durch die Unschärfe wurde der Schwarze Garten wie ein neuer Film, und ich erinnere mich, dass ich schon immer die Idee hatte, die Struktur dieses Films noch einmal durchleuchten zu wollen. Für die x-ray Fassung entwickelte ich ein Szenengefüge aus den sechs Filmen (The Murder Mystery/Blicklust/Party/Macumba/Korridor/Organics) und konzentrierte mich nach einigen Versuchen vor allem auf Organics und Korridor, wie auch auf die Party und auf eine kurze Szene aus Macumba, die ich dann bildeindringend, unscharf und in leichter Zeitlupe mit Kodak-40 abfilmte. Das Ergebnis war ein leicht blaustichiger und kontraststarker Film. Durch die flimmrige Unschärfe hatte ich den Eindruck, als hätte ich einen Schlag auf den Kopf bekommen. Während der Schneidearbeit war sofort klar, dass ich das ursprüngliche Szenengefüge aufgeben will, und entwickelte eine neue Dramaturgie, mit einigen unvermuteten Schwarzfilmunterbrechungen, um so die Bildauflösungen zu verschärfen und die Mechanik der Linearität deutlich zu machen, die letztlich ein Labyrint wird. Den Ton collagierte ich aus dem Film MIX-4 (2000), da er sich als beste Möglichkeit erwies, denn die 17 verschiedenen Tonsequenzen kontrastierten das lineare Bildgefüge von Halcion entscheidend. Dann telefonierte ich nach Berlin, um Dipl. Ing. Ludwig Draser von der Andec-Filmtechnik zu fragen, ob er einen blaustichigen Umkehrfilm in ein durchgehend rosa gefärbtes Negativ umwandeln kann. Er war überrascht, denn er hatte noch nie einen ausschließlich rosaroten Film kopiert. Nach einigen Versuchen sendete er mir ein Muster, von dem ich dachte, so ein schönes rosarot habe ich noch nie gesehen. Dadurch hatte ich wiederum die Idee für den Titel, denn das Schlafmittel Halcion erzeugt vielfach pastellfarbige Träume und verschwomenne Bilder . . .

(Dietmar Brehm)

Orig. Titel
Halcion
Jahr
2007
Land
Österreich
Länge
20 min
Kategorie
Experimental
Orig. Sprache
Kein Dialog
Downloads
Halcion (Bild)
Halcion (Bild)
Halcion (Bild)
Credits
Regie
Dietmar Brehm
Konzept & Realisation
Dietmar Brehm
Mit Unterstützung von
Kultur Linz, Land Oberösterreich
Verfügbare Formate
16 mm (Distributionskopie)
Bildformat
1:1,37
Tonformat
Mono
Bildfrequenz
24 fps
Festivals (Auswahl)
2008
Osnabrück - EMAF - European Media Art Festival