Lonely at the top
"Wir werden schamlos übertreiben." Diesen Satz spricht - über Schwarzfilm - Lucy McEvil, Travestiestar, Chanteuse und Wienerin aus Leidenschaft zu Beginn von Wolfgang Rupert Muhrs Kurzporträt. Die Hyperbole als Leitmotiv steht denn auch einem Film, der einen Künstler dabei zeigt, wie er Frauenfiguren darstellt, gut an, ist es doch die Übertreibung, ironische Brechung und Verschiebung in der Darstellung, die den Travestieakt von der einfachen Geschlechter-Nachahmung unterscheidet.
Zwei Bilderwelten dienen Muhr zur Porträtierung: Das Heim der Chanteuse, ein Gartenhaus in der Wiener Vorstadt, und Footage von Auftritten der Sängerin. Die detailverliebten Aufnahmen von Heim und Garten werden kommentiert von Lucy´s Beschreibungen der Funktionsweise ihres privaten Hafens der Ruhe: wie Boiler und Badewanne funktionieren, wie man Mäuse fängt, welchen Effekt Unkrautjäten zeitigt. Dazwischen Großaufnahmen der Sängerin bei der Arbeit, filmische Inszenierungen geschlechtertransgredierender Akte: Make-Up, Lippenstift und Lidschatten werden zelebriert, vorgeführt, und nicht, wie üblich, naturalisiert von Licht und Kamera.
Die Sachlichkeit von McEvil´s Beschreibungen des einerseits exzessiven ("Ich liebe Schnäpse"), andererseits zurückgezogenen ("Wenn ich privat bin, bin ich sehr privat") Lebensstils konterkariert die farbliche Üppigkeit von Garten, Haus und Bühnenakt. Doch niemals verfällt der Film dabei in eine platte Stilisierung des romantischen Künstlersubjekts. Vielmehr wird den ZuschauerInnen ermöglicht, die ironische Brechung von McEvil´s Stage-Act auf filmischer Ebene nachzuvollziehen.
(Andrea B. Braidt)
Lonely at the top
2006
Österreich
9 min 42 sek