la petite illusion
In la petite illusion wird eine kleine Geschichte der Leidenschaften in Szene gesetzt: schweres Atmen, umspielt von einer jazzigen Basslinie, ein Kuss, der nächtliche Sturz einer Dame ins Wasser. Der Titel der Arbeit verweist ironisch auf Jean Renoirs La grande illusion von 1937, aber die Assoziation führt ins Leere: Weder in den Bildern noch im Ton wird Renoirs pazifistische Fabel direkt zitiert oder auch nur motivisch berührt. Die Patina des frühen Tonfilms, die in la petite illusion zelebriert wird, bleibt die einzige vage Verbindung zur Grande Illusion der Klang und der look, die ästhetischen Stereotypen des frankophonen Kinos der Zwischenkriegszeit. Michaela Schwentners farblich asketische elektronische Manipulation gefundener Bilder und Töne ist eine sorgsam in Schwebe gehaltene Studie historischer Kinoaffektbilder.
Die Erzählung, die in la petite illusion stattfindet, ist selbst so etwas wie eine kleine Illusion: die bloße Andeutung einer Story, eine Art Mini-Melodram mit eingebautem Störsender. Während die narrativen Linien unaufgelöst bleiben, irrational verknüpft wie in einem Traum, werden die Filmbilder auch in sich instabil: Sie scheinen zu zerrinnen, ineinander zu verschwimmen, sie fallen, kaum konstituiert, schon wieder auseinander, beschleunigt, verlangsamt und traktiert vom stets präsenten Zugriff der Künstlerin. Animierter Kubismus ist der Begriff, den sie selbst für ihr Verfahren wählt: Dabei überantwortet sie die flachen Filmbilder einem virtuellen digitalen Raum, einer anderen Illusion und entlässt ihr Material in die Teilabstraktion. In dem Referenzraum, der hier mit romantischen Bildruinen, mit Fragmenten pathetischer Deklamation und französischer Salonkonversation, mit Spieldosenmusik und dem glockenhellen Gesang anonymer Filmdiven gefüllt wird, verwandeln sich Emotionen in Signale, werden die Einzelteile trivialer Filmtrauerspiele in neutrale Kinozeichen zurückübersetzt.
(Stefan Grissemann)
Ausgehend von bestehendem visuellen Material möchte ich in meiner neuen Arbeit wieder wie bereits in "giuliana 64:03" Körper bzw. konkrete Bildinformationen und darüber hinaus ganze Szenen (unter anderem auch klassische Filmszenen/-bilder sowie Abbildungen von Werken aus dem Bereich der bildenden Kunst, vor allem der Malerei) bearbeiten. Diese sollen nicht nur zerlegt und abstrahiert, sondern auch wieder neu zusammengesetzt werden - und das vorwiegend mit jenen Mitteln, mit denen ich mich in letzter Zeit hauptsächlich beschäftigt habe - mit (3D-)Echtzeit-Animationssoftware und deren verschiedenen Effekten und Filtern. (Michaela Schwentner)