Pessac - Leben im Labor
Für den Architekten Charles- Edouard Jeanneret, der sich
Le Corbusier nannte, war die Siedlung Pessac die erste Gelegenheit, Architektur für "ganz normale" Menschen zu entwerfen. Gezeichnet hatte er bereits Städte mit bis zu drei Millionen Einwohnern, in der Realität aber waren seine Bauherren stets vermögende Bürger. So auch Henry Frugès, dem er ein Privathaus gebaut hatte und im Anschluss von ihm den Auftrag bekam, in der Nähe von Bordeaux eine Siedlung für die Arbeiter seiner Zucker-Fabrik zu errichten.
Die zwischen 1925 und 1929 entstandenen einundfünfzig Häuser werden noch heute bewohnt. Mit mehr oder weniger großem Respekt vor dem berühmten Architekten.
Claudia Trinker und Julia Zöller lassen die Bewohner von Pessac berichten: über Fenster, deren Scheiben nachts mit lautem Knall zerspringen, Risse in den Wänden, die Auflagen des Denkmalamtes, das erwartet, den ursprünglichen Zustand wieder herzustellen. Anfangs erscheint die Architektur als menschenverachtendes Experiment, als lebensfeindliche Umgebung, gegen die sich die Bewohner seit Jahrzehnten auflehnen und die sie nur mit Um- und Anbauten in den Griff bekommen. Die Zwischentitel des Films, alles Zitate des Architekten, der vom neuen Menschen und der "Wohnmaschine" träumt, zeigen die Kluft zwischen Anspruch und Umsetzung. Aber im Laufe des Films kommen auch andere zu Wort. Sie habe sehr lange gebraucht, sagt eine Architektin, die eines der Häuser bewohnt, bis sie die poetische Seite Le Corbusiers entdeckt habe, jetzt sei ihre Bewunderung noch größer.
Allmählich verwandelt sich Pessac wieder in den Ursprungszustand zurück, immer mehr Häuser werden restauriert. Was für einfache Arbeiter gedacht war, zieht heute vor allem Architekten an. (Oliver Elser)
Pessac - Leben im Labor
2004
Österreich
52 min
Dokumentarfilm
Französisch
Englisch