der kopf des vitus bering
Als Vitus Bering am 13. August 1728 den Nordosten Asiens umsegelte, um so zu beweisen, dass Asien und Amerika von einander separierte Kontinente sind, war die amerikanische Küste in Nebel gehüllt und blieb für den Entdecker weitgehend unsichtbar.
Der Erkenntnis auf der Spur und zugleich doch im Dunkeln tappen: ein verwirrender Zustand, den Michaela Schwentners Video der kopf des vitus bering auf verschiedenen Ebenen spürbar macht. Das Bild zeigt aus blendendem Weiß auftauchend die schwarze Silhouette einer Landschaft, um eine horizontale und ansatzweise auch vertikale Achse gruppiert. Diese Landschaft verändert sich, oszilliert scheinbar zwischen verschiedenen Aggregatszuständen. Formen werden sichtbar oder unsichtbar; Farben fluktuieren zwischen Weiß-Grau-Schwarz. Eine Art Fata Morgana, in einer Wüste aus Eis. Auch der Sound und der Text referieren auf einen Zustand des Wahns oder wenigstens erhöhter Sensibilität, die Bögen der Streicher sind gespannt, die Stimmen verwirren und verformen sich.
Konrad Bayers Text Der Kopf des Vitus Bering (1958 ff), aus dem alle Textzitate stammen, ist Schwentners unmittelbarer Bezugspunkt. Bayer interessierte sich für die Figur Bering als Standort, von dem aus Beziehungen hergestellt werden und zitierte André Breton, dem zufolge die Wirklichkeit nicht die Summe der Fakten, sondern die Summe der Möglichkeiten sei. Bayers Text ist ein Mosaik aus Fakten, also Geschichte einerseits und Gedanken, Spekulationen andererseits, montiert nach strengen Regeln. Er baut eine dichte Atmosphäre, deren Qualität in den Leerstellen liegt, die das Wissen um die Fülle, um die Wirklichkeit in sich bergen. Auch Schwentners Video atmet diese Intensität, Text, Sound und Bild verbinden sich zu mehr als nur der Summe des Gesehenen und Gehörten. Sie stellt die Fülle in ihrer Leere dar.
(Sylvia Szely)
der kopf des vitus bering
2005
Österreich
5 min