Verschlossene Stube
"Wie die Oma gestorben ist, war das Haus einfach anders ... wie wenn wer die Vorhänge gewechselt hätte." Ein Kamera-Auge erkundet den geografischen und mentalen Raum, der nach dem Tod der Großmutter nun von einem omnipräsenten Fehlen infiziert ist - das Haus, ein Bauernhof irgendwo in der österreichischen Voralpen-Provinz, ist der eigentliche Protagonist.
Das Haus und seine Stuben haben sich vieles gemerkt, sie bilden ein großes Gedächtnis, wo Vergangenes mit Gegenwärtigem koexistiert, wo sich Erinnerungen - an die Krankheit, das Sterben, die Kindheit - symptomatisch aktualisieren. Verschlossene Stube vermeidet
die subjektivistisch-biografische Perspektive und fiktionalisiert die Begegnung mit dem Tod gleich
zu Beginn in einer Art reduziertem Haunted-house-Gruselfilm: Beklemmende Super-8-Erinnerungsfragmente aus der Perspektive eines kleinen Mädchens - seltsame Geräusche dringen aus dem Abfluss, im Keller ist es nicht geheuer.
Wie aus einem Alptraum erwachen wir etwas später im Dokumentarischen, wenn die Filmemacherin das Haus - nun auf Video - wieder besucht. Knappe Off-Gespräche mit Angehörigen, deren Identität akustisch und visuell im Dunklen bleibt, erzählen von Abschied, Verlust, Leere und der Arbeit, die nun für die anderen noch mehr geworden ist.
Die Kamera findet das Fehlen symptomatisch in scheinbar idyllischen Winkeln in und um den Hof, zeigt gewohnte Arbeitsabläufe aus prekären Perspektiven, skizziert spätsommerliche Stimmungen, deutet Melancholie an. Theresia Grösslinger verwischt und falsifiziert die Spuren einer persönlichen Familiengeschichte zugunsten der Entfaltung einer poetischen Textur, die auf die Allgemeinheit des Todes abzielt, ohne in geschwätzigen Nihilismus-Kitsch oder bizarre Morbidität zu kippen - gerade hier in Österreich keine Kleinigkeit.
(Michael Palm)
Verschlossene Stube
2004
Österreich
27 min