Gras A/B
Sabine Martes Gras A/B ist ein paradoxes Stück: es erzählt uns eine Geschichte - indem es sie nicht erzählt; es unterbricht abrupt Bilder in Bewegung, zoomt ein, veranlasst uns zu schauen - aber zeigt uns nichts. Das Video ist ein Experiment, ein Versuch. Ihm liegt eine strenge Struktur zugrunde. Die Kamera filmt Grünflächen ab, Sträucher: senkrecht hinauf und hinunter, waagrecht nach rechts und nach links. Der Blick bewegt sich sehr schnell, im Bild erscheinen impressionistische Farbflächen: ein Vorüberstreichen.
Die einzelnen Einstellungen werden alternierend komponiert und auf der Tonebene mit Gesprächsteilen aus einem Dialog zwischen A und B kombiniert. Das Gespräch und die Bilder befinden sich in einem Loop, der sich losreißt, gewissermaßen verselbstständigt und so eine Entwicklung, einen Erzählfluss kreiert. Wiederholung und Akzeleration, die Beschneidung von Sprach- und Bildteilen, die Konstruktion von Irritationen durch plötzliche Kamerabewegungen oder die veränderte Tonlage der Stimme: hier spitzt sich etwas zu, ein Höhepunkt entsteht. Und es ist fast so, als wäre wirklich etwas passiert.
Gras A/B untersucht wie Geschichten erzählt werden, wie Bedeutung hergestellt wird. Das geschieht, indem Geschichten und Bedeutungen aufgelöst, dekonstruiert werden, auf eine spielerische und genüssliche Art, rhythmisch wie ein Tanz. An der Oberfläche verführt uns das Video, dem Gezeigten und Gesagten zu folgen, es wahrnehmen zu wollen; aber zu sehen und zu hören bekommen wir nur das Material, die Materialität von Farbe und Stimme. Auf einer anderen Ebene jedoch - jenseits der Evidenz - erkennen wir, den rituellen Bewegungen des Loops folgend, wie die Konventionen und Rhetoriken des Sprechens und des Zeigens funktionieren.
(Sylvia Szely)
A möchte B etwas erzählen: Über jene alte Geschichte, die vor langer Zeit an genau dem Ort geschah, an dem die beiden jetzt stehen. Wovon handelt die Geschichte, von welchem dramatischen, traumatischen, ungeheuerlichen Ereignis wird A und gleich berichten? Um diese Frage kreist der Dialog, begleitet von impressionistischen Gras-/Farbflächen, die anch strenger Choreographie horizontal und vertikel über die Leinwand ziehen. Die Spannung steigt, die Szene spitzt sich zu, und am ENde wissen wir mehr: zwar nicht über jenes Geheimnis, aber darüber wie man Geschichten erzählt.
(VIDEOEX Zürich, 2006)
Gras A/B
2003 - 2004
Österreich
4 min