Picture again
Zu zeigen, was das Kino kann, wenn man es entbindet vom Literarischen, Erzählbaren, gehört zu den traditionellen Aufgaben der Filmavantgarde: wie man etwa Bilder, die einander fern scheinen, übereinander ineinander legt, wie man Außen- und Innenräume in ein synthetisches, unwirkliches Drittes, den filmischen Raum, überführt. Linda Christanells Picture Again ist eine Studie dieses Raums. Das Material wird, in der Schichtung, in der Konfrontation, einem Belastungstest unterzogen.
Ein paar Einstellungen mit Barbara Stanwyck und Fred MacMurray, eine Szene aus Billy Wilders Double Indemnity, sind Ausgangspunkt für Picture Again: Frau und Mann in einem Auto, die Mörderin und ihre Beute. Die Bilder dieser Sequenz werden begleitet und überlagert von dokumentarischen Strassenbildern aus Berlin und Madrid. Ein paar Vögel flattern wie Totenvögel durch einen alten Horrorfilm.
Picture Again legt Wert auf strukturalistische Durchformung, auf musikalische Rhythmisierung der Bilder, ohne auf das Rauschhafte verzichten zu wollen. Um die Hingabe an die Schönheit, Sinnlichkeit geht es, wie stets bei Christanell, auch hier: um glitzerndes Kristall und den Tanz der Luftbläschen auf bewegter Wasseroberfläche, um einen Filmkuss, der als Stichflamme in Gelb und Rot re-inszeniert wird, um das Licht und die Farben des Kinos, in flackernden, flimmernden Bildern.
Es ist etwas Geisterhaftes an Picture Again: Die Bilder zucken, zeigen die Schemen von Menschen, transparent, immateriell, bloße Phantasmen des Kinos. Das Material selbst - die Spuren des Filmendes, Kopierwerkszeichen, die Perforation - scheint gegen Ende hin die Hauptrolle zu übernehmen, setzt sich aber letztlich nicht durch gegen die Schönheit der Kinoillusion: Gegen den silbrigen Glanz des Haars Barbara Stanwycks, für immer aufbewahrt in der Silberschicht des Kinos, hat der spröde Charme des Filmmaterials keine Chance.
(Stefan Grissemann)