Selfportrait
Lassnig, oder genauer ihr filzstiftgezeichneter Kopf, singt Englisch mit herzzerreißendem österreichischem Akzent. Über das bisherige Leben, ihre Träume, die ewige Suche nach der besseren, männlichen Hälfte: "To look for the better half". Doch passt mal ein Partner in Form und Farbe, nennt er sie bald schon "weak" and "woman" im gleichen Satz.
(Maya McKechneay)
Versöhnlicher Lebensüberblick der Autorin im Zeichentrick. Die Metamorphosen, denen sich die Lassnig in ihren Zeichnungen und Bildern unterwarf, sind natürlich im Film noch viel treffender herauszuarbeiten, weil sie nun nicht nur einzelne Stationen der Verwandlungen, sondern den imaginierten Ablauf zeigen kann. Ihr Selbstportrait verwandelt sich in das Gesicht der Garbo, oder es spaltet sich, und durch den Spalt schiebt sich das Gesicht ihrer Mutter in den Vordergrund. Erinnerungen und Wunschträume nehmen Gestalt an, drängen sich buchstäblich bildhaft auf.
(H. St. "AZ", Wien am 10. 6. 1973)
Ihr Selfportrait, entstanden 1971 in New York, von dem es heißt, es sei das erste Selbstporträt in Zeichentricktechnik überhaupt, verdankt seine Wirkung einem Clash von Bild und Ton. Im Zentrum des Films steht Lassnigs in einem Comic-nahen Stil gezeichnetes Gesicht. Aus dem Off hört man unterdessen die schläfrige, elegische Stimme der Künstlerin, die Englisch halb singt, halb spricht, mit herzzerreißendem österreichischen Akzent. Ihr Timbre erinnert ein wenig an die Sängerin Nico: „Es ist schon vorüber und egal, ... aber“. Während der klassische TV-Cartoon Emotionen durch verschärfte Mimik, ja extreme Gemütsbewegungen sogar mit rauchenden Schädeln oder hervorquellen den Augäpfeln gern in gesamt-somatischer Übersteigerung darstellt, zeigt Lassnig ihr eigenes Gesicht ohne Ausdruck. Statt einem aus dem Inneren motivierten Affektspiegel, sehen wir ein verschiedenen Einflüssen ausgesetztes Experimentierfeld: Lassnigs gezeichneten Kopf in Zellophanfolie gehüllt, in einen Käfig gesteckt, Strich für Strich ins Off gepustet oder in zwei Teile gerissen, wenn das – im Kontrast von einem breiten Lachen überzogene – Gesicht der Mutter aus ihm hervorbricht („When my mother died, I became she. She was so strong.“). Wenn also Lassnig die Emotion hier gerade nicht durch Mimik kenntlich macht, sondern im Ton oder durch mechanische Einflüsse auf Gesicht und Körper ausdrückt, verweigert sie dem Zuseher das für Comics und Cartoons so typische visuelle „Fest des Erkennens“. Die reduzierte Gesichtsoberfläche wird hier nicht zum leicht lesbaren Display von Grundemotionen. Stattdessen ist es als Teil des
„von mir bewohnten Körpergehäuses“ (so Lassnig in einem Interview von 1970) starr und objekthaft. Hält aber doch – und hierin ähnelt die gezeichnete Lassnig den klassischen Cartoonhelden – äußeren Gewalten und deren symbolischen Angriffen in ständiger Selbst-Regeneration stand.
(Maya McKechneay, In: Diagonale Katalog, 2006)