Traveller´s Tales
Von der Mobilität des Bildermachens zu diskursiven Mobilitätsbildern: Tim Sharps Videoarbeit Traveller´s Tales geht dieser Bewegung nicht bloß thematisch nach, sondern demonstriert diesen Übergang in Form komplexer Montageakte. Traveller´s Tales knüpft ein dichtes diskursives Netz rund um den Zusammenhang von Bildern, Reise, Migration und Nomadismus, ausgehend von den losen Enden gefundenen Filmmaterials. Letzteres besteht aus ganzen eineinhalb Minuten Abfall einer deutschsprachigen Dokumentarfilmproduktion, die um das Jahr 1970 unter dem Arbeitstitel Tuareg entstanden sein dürfte. Aus den Out-takes hat Sharp einzelne Motive, meist statische Aufnahmen simpler Vorgänge oder Posen, extrahiert, geloopt und neu arrangiert. Allein aus diesem Herauspräparieren des Ausgesparten wird der Konstruktionscharakter dokumentarischer Wirklichkeit ersichtlich, etwa wenn ein verhüllter Tuareg (bzw. dessen Darsteller) wiederholt sein Gewehr durchlädt oder ein anderer endlos mit der Waffe posiert, als seien Zeit und Geschichte im Filmbild vollends suspendiert. Ergänzt wird diese Vivisektion ethnografischen Rohmaterials durch die konstruierte Tonspur, die exotische Geräuschspuren und Musikfetzen einstreut, während Anfang und Ende durch das Ticken bzw. Schlagen einer Uhr gerahmt sind. Schließlich ist über das Ganze ein essayistischer Off-Kommentar gelegt, der Autobiografisches, insbesondere Reiseerinnerungen des Ich-Erzählers und seines Vaters, mit kurzen Aperçus über berühmte Orientreisende (Marco Polo, Ibn Battuta) und Nomadentum anreichert. Das Prinzip der ineinander verschränkten Narrative lässt erkennen und dies gilt für Traveller´s Tales insgesamt, welch komplexe Raster im Abbildprozess fremder, nomadischer Realität immer schon am Werk sind. (Christian Höller)
Traveller´s Tales
2003
Österreich
13 min