Breeze
VIENNALE-Trailer 2000
Der Nachthimmel scheint zu schmelzen hier, nur einen Augenblick lang, erhitzt vom Licht des Filmprojektors, der den Spuren der Außenwelt seine Gewalt antut, der sie erst verinnerlicht, um sie anschließend abstrakt wieder nach außen zu werfen. Die Gewebe, die unbeschriebenen Stoffe geraten in Bewegung, in Unruhe versetzt von einer Brise aus dem Off, dem Jenseits des Bildes. Ein Spalt klafft auf im Bühnenvorhang, und eine weibliche Gestalt tritt vor, ein wenig scheu, mit toten Augen, als Negativphotographie, als moving picture: die anonyme Heldin eines Films, zur Aufführung bereit. Die Vorhänge und die Leinwände flattern im Wind und in der Tonspur, flackern im Puls des Lichts und der Montage: Fremde, gesichtslose Figuren, Wiedergänger einer längst vergangenen Kultur, erscheinen als Schemen, Silhouetten, vom Kino belichtet und verflacht, melodramatische Illusionen in 2-D. Und das Augenpaar einer Film-Diva, größer als das Leben selbst, richtet den Blick auf ein dunkles, unscharfes Gebiet, von dem es eigentlich nichts wissen dürfte, als wollte es bis auf die imaginäre andere Seite der Leinwand sehen. Eine Minute Film als lyrisches Kondensat von 105 Jahren Kinogeschichte, sechzig Sekunden zaubertönender Assoziationsfilm um barfüßige Gräfinnen und rote Märchenschuhe, um cat people und drama queens: Alles fließt, wallt, weht, die Räume und Gesichter schillern in Nachtblau und Zartrosa, in Milchweiß, Nebelgrau und Sepia. Eine Schauspielerin, deren bewegtes schwarzweißes Lichtbild sich wie trocknendes Papier wellt, zieht den Vorhang wieder zu, entzieht sich den Blicken, die nach ihr greifen, die sie vereinnahmen, einnehmen, mit ihrer Lust zu vernichten drohen. Dem Entzug wird die Hingabe folgen, der Selbstverweigerung die Inszenierung: Eine Performance steht an, und der Voyeur, namenlos auch er, sitzt schon bereit, während sich hinter ihm der Vorhang öffnet und jene leere weiße Fläche freigibt, die sehnsüchtig auf Inschrift wartet, auf die gestaltlosen, fantasmatischen Botschaften, die die Projektion ihr einschreiben wird. Das Kino, aus der Ferne betrachtet, zugleich ganz nah, ganz gegenwärtig: ein Memo Book der gespenstischen Erotik filmischer Überwältigungsmöglichkeiten.
(Stefan Grissemann)
Breeze (Viennale Trailer 2000)
2000
Österreich, Deutschland
1 min 10 sek