rewind
grundlage bzw. ausgangsmaterial für das video rewind ist das musikstück >rückenwind< von shabotinski [ (b)ypass:(k)ill ]
im vergleich zu kommerziellen musikvideos, in denen sich die bild-ebene - eingebunden über schnitt, synchronisation und handlung - als visueller bestandteil der musik präsentiert, soll in der arbeit rewind über die musik selbst eine bild-interpretation erfolgen. ziel dabei ist es, eine symbiose zwischen auditivem und visuellem material zu erzeugen.
so wird der musikalische aufbau und die struktur des songs >rückenwind< aufgenommen und als gleichmässig, lineare bewegung interpretiert. der titel >rückenwind< bzw. rewind trägt seinen teil dazu bei, diesen eindruck der zeit- und richtungsgebundenheit zu verstärken.
akustische störungen werden als visuelle unreinheiten wiedergegeben und durchbrechen die zeitachse in einer vom musikstück vorbestimten, rhythmischen weise. d.h. rein technisch gesehen, werden die visuellen störungen direkt über algorithmen aus der musik-ebene herausgefiltert und durch umcodierung in die bild-ebene übertragen.
[n:ja]
Von einem Musikstück geht Rewind aus: Als Basismaterial wird ein elektronischer Track namens Rückenwind aufgeboten, eine Komposition von Shabotinski, in der ein tieffrequentes Melodiefragment von einer feingliedrigen Geräuschspur um-spielt wird. Es klickt, pocht, surrt und knistert rund um das leise dröhnende Grundthema des Stücks. Die abstrakte Bildebene betont den Soundtrack, gibt sich die Anmutung einer digitalen Partitur, erinnert vage an Musiksoftware, an die Oberflächen von Kompositionsprogrammen. Zugleich suggerieren die minimalistischen Bilder eine stetige Vorwärtsbewegung, eine dahingleitende Parallelfahrt durch den virtuellen Raum: mobile Geometrie.
Die erste Minute dieser Produktion ist sparsam orchestriert, visuell wie akustisch: Erst allmählich wächst die dünne horizontale Bahn heran, die sich da auf weißem Grund zu unterschwelligen Klangatmosphären unaufhörlich transformiert. Eine bewegliche Vertikallinie wird zugeschaltet, während die grafischen Grundstrukturen breiter, heller und komplexer werden. Der unruhige Tanz des vertikalen Bildstrichs könnte eine Referenz an das alte Kino sein, eine ironische Botschaft aus der digitalen Welt an die einstige analoge, ein assoziativer Verweis auf die verletzliche Natur des fotografischen Filmbilds. Ein kurzer Bruch bietet sich nach knapp drei Minuten: Von den schwarzen, grauen und weißen Tönen, die Rewind dominieren, kippt die Arbeit unversehens in verwischte, verfremdete Realfarbbilder, in unruhige, offenbar aus der Hand geschossene Aufnahmen, in denen man Passanten durch die Straßen huschen ahnt. Der pastellene Spuk währt keine 20 Sekunden lang, ehe die Rückkehr zu künstlich zuckenden Maschinenanimationen jeden Rest von Realitätsillusion tilgt.
Erst wird Nähe hergestellt, dann auf Abstand gegangen: Rewind führt von der Detailaufnahme zurück in die Totale, in den Fernblick auf eine streng geordnete Welt, die in ihre Bildpunkte zerlegt, in ein unüberblickbares Feld digitaler Mikroorganismen verwandelt wird. Am Ende bleibt nur ein grauer Bildstrich, in den die Credits geblendet werden. Der Rücklauf des Titels mag auf jene verborgenen Bedeutungen anspielen, die sich hier nur im Rückgriff erschließen: Es ist vermutlich kein Zufall, dass der Begriff „rewind“ sich im Musiktitel Rückenwind verbirgt.
(Stefan Grissemann)
rewind
2000
Österreich
5 min